Rheumatologische Erkrankungen

Gefäßentzündungen

Granulomatose mit Polyangiitis

Granulomatose mit Polyangiitis (GPA, Morbus Wegener): Entzündung kleiner und mittelgroßer Blutgefäße mit Ausbildung von Gewebeknötchen (Granulomen). Befallen sind vor allem Ohren und Atemwege, Lunge und Niere. Die Erkrankung beginnt häufig im Nasen-Rachen-Bereich, z. B. mit einer chronisch verstopften Nase und Borkenbildung. Im weiteren Verlauf kommen Abgeschlagenheit und Fieber dazu, je nach Organbefall auch Herz-, Nieren- oder Lungenbeschwerden. Unbehandelt verläuft die GAP innerhalb weniger Jahre tödlich. Unter Therapie mit Glukokortikoiden und immununterdrückenden Wirkstoffen verbessern sich die Symptome bei vielen Betroffenen. Rückfälle sind allerdings häufig. Bleibende Schäden sind möglich, dazu gehören z. B. Hörminderung, Sattelnase, eingeschränkte Nierenfunktion sowie einseitige Erblindung.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Chronisch verstopfte Nase mit Borkenbildung, blutiger Schnupfen, Nasenbluten
  • Nebenhöhlenentzündungen
  • Ohrenschmerzen, Taubheit, Schwindel
  • Heiserkeit, trockener Husten
  • Gelenk- und Muskelschmerzen
  • Augenschmerzen oder Sehstörungen
  • Hautveränderungen: Hauteinblutungen, Knötchen, nicht wegdrückbare rote Flecken.

Wann in die Arztpraxis

Demnächst, wenn

  • es immer wieder zu oben genannten Beschwerden kommt.

Die Erkrankung

Die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) gehört gemeinsam mit der Mikroskopischen Polyangiitis und der Eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis zu den sogenannten ANCA-assoziierten Vaskulitiden. Diese Gefäßentzündungen befallen die kleinen und mittelgroßen Blutgefäße, wobei die Patienten meist spezielle Antikörper aufweisen.

Vorkommen und Häufigkeit

Die GPA ist eine seltene Erkrankung, an der in Deutschland etwa 5 Menschen pro 100.000 Einwohner*innen leiden. Sie tritt vor allem im Erwachsenenalter auf, wobei die Diagnose oft um das 40. Lebensjahr gestellt wird. Männer und Frauen erkranken daran gleich häufig.

Ursachen

Die Ursache der Gefäßentzündung ist unbekannt. Es gibt Hinweise darauf, dass eine genetische Veranlagung eine Rolle spielt. Möglicherweise lösen auch Bakterien oder Teile von ihnen die Erkrankung aus – viele Patient*innen berichten, dass sie vor der Diagnose einen bakteriellen Infekt hatten.

Klinik und Verlauf

Die GPA beginnt oft unspezifisch und entwickelt sich schleichend. Meist zeigen sich die ersten Beschwerden im Hals-Nasen-Ohrenbereich. Oft leiden die Patient*innen unter einer blutig-krustigen, chronischen Nasenschleimhautentzündung. Später wird der knorpelige Anteil der Nasenscheidewand zerstört und es kommt zu Nasendeformitäten (Sattelnase). Ebenfalls häufig sind chronische Nebenhöhlenentzündungen oder immer wiederkehrende Mittelohrentzündungen.

Im weiteren Verlauf entzünden sich immer mehr kleine und mittelgroße Gefäße sowie deren benachbarte Gewebe und die von ihnen versorgten Organe. Die Betroffenen fühlen sich abgeschlagen und müde, haben Fieber, verlieren den Appetit und nehmen häufig ab. Je nachdem, welche Organe befallen sind, treten folgende Beschwerden auf:

  • Haut: Papeln, Bläschen und Rötungen der Haut; Geschwüre und absterbendes Gewebe (Nekrosen) vor allem an den Fingerkuppen und Zehen
  • Kehlkopf und Luftröhre: Stimmstörungen und Atemnot bis hin zu Erstickungsanfällen
  • Lunge: blutiger Auswurf, Luftnot
  • Niere: Nierenschmerzen, Wassereinlagerung um die Augenlider herum und in den Unterschenkeln
  • Augen: rote Augen, Sehstörungen, bei großen Granulomen hinter dem Auge auch Hervortreten des Augapfels
  • Ohr: Gleichgewichtsstörungen, Tinnitus und Hörstörungen bis hin zur Taubheit
  • Nerven: Taubheitsgefühle oder Missempfindungen an Fingern und Füßen (Polyneuropathie)
  • Muskeln: Kraftlosigkeit und Schwäche sowie Gangunsicherheit
  • Gelenke: springende Gelenkschmerzen in den kleinen und großen Gelenken
  • Herz: Schwächegefühl und Luftnot.

Unbehandelt überlebt die Hälfte der Betroffenen das erste Jahr nicht. In der Regel versterben die Patient*innen am Nierenversagen. Auch unter einer optimalen Therapie sterben 10 % der Patient*innen im ersten Jahr nach der Diagnose. Danach wird die Prognose besser. In bis zu 75 % der Fälle dämpfen Glukokortikoide und Immunsuppressiva die Entzündungen. Allerdings kommt es auch unter Therapie meist immer wieder zu Schüben, sodass langfristig bleibende Schäden wie Erblindung, Taubheit und der Verlust der Niere mit Dialysepflicht drohen.

Diagnosesicherung

Blutig-borkiger Schnupfen, der immer wieder auftritt, chronische Nebenhöhlenentzündungen oder eine Nasendeformität lenken den Verdacht auf eine GPA. Gesichert wird die Diagnose durch eine Biopsie. Dazu entnimmt die Ärzt*in aus befallenen Bereichen (meist aus der Nasenschleimhaut, seltener aus Lunge oder Niere) Gewebe und lässt dieses untersuchen.

Um das Ausmaß der Gefäßentzündungen festzustellen und zur Unterstützung der Diagnose kommen Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren dazu.

  • Labor: Viele Patient*innen haben eine Blutarmut (Anämie), gleichzeitig sind im Blutbild die weißen Blutkörperchen und die Blutplättchen vermehrt (Leukozytose und Thrombozytose). Erhöhte Entzündungswerte wie CRP und BSG spiegeln die Krankheitsaktivität. Eine Nierenbeteiligung wird über den Kreatininwert im Blut nachgewiesen, im Urin tauchen zudem Blutkörperchen und Eiweiße auf.
  • Antikörper: Bis zu 90 % der Betroffenen weisen Antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCA) auf, bis zu 70 % einen positiven Rheumafaktor.
  • Bildgebende Untersuchungen: Mit Röntgenuntersuchungen (konventionelles Röntgen oder Schnittbilder mittels CT) prüft die Ärzt*in die Lungenbeteiligung. Ultraschalluntersuchungen können Auffälligkeiten der Niere zeigen.

Je nach Beschwerden müssen auch andere Organuntersuchungen durchgeführt werden. Dazu gehören z. B. die Augenspiegelung, die Untersuchung des Kehlkopfes durch die HNO-Ärzt*in sowie bei Nervenbeteiligung eine gründliche neurologische Prüfung.

Differenzialdiagnose. Beim Vorliegen von ANCA sind die beiden anderen ANCA-Vaskulitiden (Mikroskopische Polyangiitis und die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis) eine wichtige Differenzialdiagnose. Steht eine Deformität der Nase durch wiederkehrende Knorpelentzündungen im Vordergrund, kann es sich auch um eine rezidivierende Polychondritis handeln.

Behandlung

Eine Heilung ist bei der GPA nicht möglich. Therapieziel ist, die Entzündung zunächst mit hochdosierten Immunsuppressiva soweit wie möglich einzudämmen und eine Remission (inaktive oder weitgehend inaktive Krankheit) zu erreichen (Induktionstherapie). Diese Remission soll dann – meist mit niedriger dosierten Medikamenten – so lange wie möglich erhalten bleiben.

  • Induktionstherapie. Bei akuter Lebensgefahr (Lungenblutung, Nierenversagen) oder der Bedrohung wichtiger Organe (Auge, Nerven) bekommt die Patient*in hochdosiertes Kortison in die Vene, um die Entzündung einzudämmen. Hinzu kommen die Medikamente Cyclophosphamid oder Rituximab, eventuell auch das seit 2022 für die Vaskulitis zugelassene Medikament Avacopan. In absoluten Notfällen ist ein Plasmaaustausch (Plasmapherese) erforderlich. Bei dieser speziellen Blutwäsche werden Entzündungsbotenstoffe und Antikörper maschinell aus dem Blut entfernt (ähnlich wie bei einer Dialyse). Liegt keine Lebensgefahr vor, erhält die Patient*in zur Induktionstherapie hochdosiertes Kortison in Tablettenform und ein Immunsuppressivum, z. B. Methotrexat oder Mycophenolat-Mofetil.
  • Remissionstherapie. Um bei inaktiver Krankheit das Wiederaufflackern der Entzündung zu verhindern, wird Kortison in niedriger Dosierung gegeben. Um das Immunsystem in Schach zu halten, wird zudem als Immunsuppressivum z. B. Azathioprin, Rituximab oder Methotrexat verordnet. Diese Therapie soll mindestens 24 Monate eingehalten werden.

Prognose

Unter einer optimalen Therapie überleben 85 % der Patient*innen die ersten fünf Jahre nach Diagnosestellung. Entscheidend für die Prognose ist meistens der Befall der Niere.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Infektionsrisiko reduzieren. Unter immununterdrückenden Wirkstoffen ist das Infektionsrisiko erhöht. Betroffene sollten deshalb die gängigen Hygienemaßnahmen gegen Infektionen einhalten. Das bedeutet, vor allem in der Erkältungszeit Orte mit vielen Menschen zu meiden, sich häufig die Hände zu waschen und, wenn erforderlich, einen Mund-Nasenschutz zu tragen.

Impfungen wahrnehmen. Aufgrund der erhöhten Infektanfälligkeit ist ein guter Impfschutz wichtig. Betroffene sollten deshalb alle von ihrer behandelnden Ärzt*in empfohlenen Impfungen durchführen lassen. Totimpfstoffe wie die Influenzaimpfung oder die Pneumokokkenimpfungen sind in der Regel kein Problem. Über andere Impfungen muss individuell entschieden werden.

Rückfälle erkennen. Die GPA neigt zu Rezidiven. Wer sich körperlich schlecht fühlt, erneute Beschwerden im Nasen-Rachenbereich oder andere Symptome entwickelt, sollte frühzeitig die Ärzt*in aufsuchen. Je schneller eine erhöhte Krankheitsaktivität behandelt wird, desto besser ist die langfristige Prognose.

Weiterführende Informationen

  • Die Vaskulitis-Selbsthilfegruppe der Deutschen Rheuma-Liga hält Informationen und Kontaktdaten zu örtlichen Selbsthilfegruppen bereit unter www.vaskulitis.org – Internetseite des Zusammenschlusses der Deutschen Vaskulitis-Selbsthilfegruppen mit Erfahrungsberichten, Kontaktadressen und medizinischen Informationen.

Autor / Rechte
20.10.2023
Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Mikroskopische Polyangiitis

Mikroskopische Polyangiitis (MPA): Seltene, autoimmunbedingte entzündliche Erkrankung kleiner Gefäße (Vaskulitis), die im gesamten Körper auftreten kann. Zu Beginn überwiegen Allgemeinbeschwerden wie Müdigkeit, Fieber und Gewichtsverlust. Je nach Organbefall kommen weitere Symptome wie Hautausschlag, Bluthusten oder Blut im Urin bis hin zum Nierenversagen hinzu. Die Ursache der Erkrankung ist nicht bekannt. Behandelt wird die chronische Erkrankung mit Kortison und immununterdrückenden Medikamenten. Die Prognose hängt vom Organbefall ab, fünf Jahre nach Diagnose leben noch etwa 70 % der Betroffenen.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Fieber, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust
  • Bluthochdruck
  • Blut im Urin
  • Bluthusten, Kurzatmigkeit, Atemnot
  • rotvioletter Hautausschlag an Beinen und Gesäß.

Wann in die Arztpraxis

Am gleichen Tag, bei

  • Bluthusten und Kurzatmigkeit
  • Blut im Urin.

Demnächst, bei

  • unerklärbarem Fieber, Abgeschlagenheit oder Gewichtsverlust
  • auffälligem Hautausschlag.

Die Erkrankung

Die Mikroskopische Polyangiitis (MPA) gehört zu den sogenannten ANCA-assoziierten Vaskulitiden. Diese chronischen, immer wiederkehrenden (rezidivierenden) Gefäßentzündungen befallen die kleinen und mittelgroßen Blutgefäße, wobei die Patienten im Blut meist spezielle Antikörper (ANCA) aufweisen.

Vorkommen und Häufigkeit

Die MPA ist eine seltene Erkrankung, an der in Deutschland etwa 1 von 100.000 Personen leiden. Sie tritt am häufigsten zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr auf, kommt manchmal aber auch bei Kindern vor.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursache der MPA ist unbekannt. Vermutet wird, dass sich durch Infektionen spezielle Antikörper (ANCA) bilden. Diese aktivieren wahrscheinlich weiße Blutkörperchen (neutrophile Granulozyten und Monozyten), die dann wiederum die Wände von kleinen Gefäßen angreifen. Betroffen sind also die Wände von Kapillaren, Venolen und kleinen Arterien.

Klinik

Die Gefäßwände können sich überall im Körper entzünden. Zunächst machen sich die Entzündungen mit Allgemeinbeschwerden bemerkbar. Dazu gehören Abgeschlagenheit, Fieber, Müdigkeit und Nachtschweiß. Oft leiden die Betroffenen auch unter Appetitverlust und nehmen ungewollt ab. Muskel- und Gelenkschmerzen sind ebenfalls häufig.

Im Verlauf der Erkrankung zeigen sich je nach Organbefall verschiedene Beschwerden:

Niere. Bei fast allen Erkrankten ist die Niere beteiligt. Dadurch entwickelt sich häufig ein nierenbedingter Bluthochdruck. Durch die Antikörper werden die Nierenkörperchen direkt angegriffen und geschädigt. Die Anzeichen dafür – Blut und Eiweiß im Urin – treten oft erst auf, wenn der Nierenschaden schon relativ ausgeprägt ist. Unbehandelt kann es zu einem akuten Nierenversagen kommen.

Lunge. Ein Befall der kleinen Gefäße in der Lunge führt zu Bluthusten. Häufig wird im Verlauf der Erkrankung Lungengewebe durch Bindegewebe ersetzt, es droht eine Lungenfibrose. Atembeschwerden bis hin zum Versagen der Atmung können die Folge sein.

Haut. Etwa ein Drittel der Patient*innen weist zum Zeitpunkt der Diagnose einen rotvioletten Hautausschlag auf, vor allem an Füßen, Beinen und Gesäß. Manchmal liegt auch ein Raynaud-Syndrom mit Abblassen der Finger in Kälte vor.

Magen-Darm-Trakt. Eine Beteiligung der Gefäße im Verdauungstrakt führt zu Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall und Blut im Stuhl.

Nervensystem. Wenn Nerven befallen sind, kommt es meist zu einer multiplen Mononeuropathie. Dabei handelt es sich um die gleichzeitige Störung mehrerer Nerven, die sich z. B. durch Taubheitsgefühle oder Kribbeln in den jeweiligen Versorgungsgebieten bemerkbar macht. Auch motorische Probleme wie eine Schwächung oder Lähmung können auftreten.

Diagnosesicherung

Die Ärzt*in schöpft meist Verdacht, wenn die Patient*in unter unerklärbaren Allgemeinsymptomen leidet und es gleichzeitig zu Bluthochdruck, Bluthusten, Blut im Urin oder anderen Anzeichen des Organbefalls kommt. Gesichert wird die Diagnose durch eine Gewebeprobe (Biopsie). Weist die Urinuntersuchung auf eine Nierenbeteiligung hin, entnehmen die Ärzt*innen das nötige Gewebe meist aus der Niere. Ansonsten kommen auch Hautveränderungen für die Biopsie infrage.

Um das Ausmaß der Gefäßentzündungen festzustellen und die Diagnose zu unterstützen, gibt es noch weitere Untersuchungen:

  • Labor: Viele Patient*innen haben eine Blutarmut (Anämie), gleichzeitig sind im Blutbild die weißen Blutkörperchen und die Blutplättchen vermehrt (Leukozytose und Thrombozytose). Ein niedriger Hämatokritwert ist ein Hinweis auf innere Blutungen (z. B. in der Lunge oder im Magen-Darm-Trakt). Erhöhte Entzündungswerte wie CRP und BSG spiegeln die Krankheitsaktivität. Eine Nierenbeteiligung zeigt sich durch einen Anstieg des Kreatininwertes im Blut, im Urin tauchen zudem Blutkörperchen und Eiweiße auf.
  • Antikörper: Etwa 60  der Betroffenen weisen Antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCA) auf.
  • Bildgebende Untersuchungen: Mit Röntgenuntersuchungen (konventionelles Röntgen oder Schnittbilder mittels CT) prüft die Ärzt*in die Lungenbeteiligung. Ultraschalluntersuchungen können Auffälligkeiten der Niere zeigen.

Je nach Organbefall sind weitere Untersuchungen erforderlich. Dazu gehören bei Verdacht auf eine Nervenbeteiligung z. B. die Bestimmung der Nervenleitfähigkeit und die Elektromyografie.

Differenzialdiagnosen. Beim Vorliegen von ANCA sind die beiden anderen ANCA-Vaskulitiden (Granulomatose mit Polyangiitis und Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis) wichtige Differenzialdiagnosen. Ähnliche Beschwerdekombinationen wie bei der MPA weisen auch Patient*innen mit anderen rheumatischen Erkrankungen auf, z. B. mit einem systemischen Lupus erythematodes.

Behandlung

Eine Heilung ist bei der MPA nicht möglich. Therapieziel ist, die Entzündung zunächst einzudämmen und zu einem Stillstand zu bringen (Induktionstherapie). Dieser Zustand soll dann – meist mit niedriger dosierten und weniger aggressiven Medikamenten – so lange wie möglich erhalten bleiben.

  • Induktionstherapie. Bei akuter Lebensgefahr (Lungenblutung, Nierenversagen) oder der Bedrohung wichtiger Organe (Auge, Nerven) bekommt die Patient*in hochdosiertes Kortison in die Vene, um die Entzündung einzudämmen. Hinzu kommen die Medikamente Cyclophosphamid oder Rituximab. Vor allem bei schwerer Nierenbeteiligung ist zusätzlich ein Plasmaaustausch (Plasmapherese) erforderlich. Bei dieser speziellen Blutwäsche werden Entzündungsbotenstoffe und nierenschädigende Antikörper maschinell aus dem Blut entfernt (ähnlich wie bei einer Dialyse). Besteht keine Lebensgefahr, erhält die Patient*in zur Induktionstherapie hochdosiertes Kortison in Tablettenform und ein Immunsuppressivum, z. B. Methotrexat oder Mycophenolat-Mofetil.
  • Remissionstherapie. Um bei inaktiver Krankheit das Wiederaufflackern der Entzündung zu verhindern, verordnen die Ärzt*innen Kortison in niedriger Dosierung. Dazu kommen immunsuppressive Medikamente wie Azathioprin, Rituximab oder Methotrexat. Meist wird eine Therapie über mindestens zwei Jahre empfohlen.

Prognose

Früher ist die MPA aufgrund mangelnder Behandlungsmöglichkeiten in kurzer Zeit tödlich verlaufen. Mithilfe der immununterdrückenden Therapie lässt sich die Erkrankung inzwischen recht gut in Schach halten. Fünf Jahre nach der Diagnose sind noch etwa 70 % der Betroffenen am Leben.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Infektionsrisiko reduzieren. Unter immununterdrückenden Wirkstoffen ist das Infektionsrisiko erhöht. Betroffene sollten deshalb die gängigen Hygienemaßnahmen gegen Infektionen einhalten. Das bedeutet, vor allem in der Erkältungszeit Orte mit vielen Menschen zu meiden, sich häufig die Hände zu waschen und, wenn erforderlich, einen Mund-Nasenschutz zu tragen.

Impfungen wahrnehmen. Aufgrund der erhöhten Infektanfälligkeit ist ein guter Impfschutz wichtig. Betroffene sollten deshalb alle von ihrer behandelnden Ärzt*in empfohlenen Impfungen durchführen lassen. Totimpfstoffe wie die Influenzaimpfung oder die Pneumokokkenimpfungen sind in der Regel kein Problem. Über andere Impfungen muss individuell entschieden werden.

Rückfälle erkennen. Die MPA neigt zu Rezidiven. Wer sich körperlich schlecht fühlt, sollte frühzeitig die Ärzt*in aufsuchen. Je schneller eine erhöhte Krankheitsaktivität behandelt wird, desto besser ist die langfristige Prognose.

Weiterführende Informationen

Zu regionalen Selbsthilfegruppen für Vaskulitiskranke gelangt man über die Webseite der Selbsthilfe Vaskulitis e.V.

Autor / Rechte
31.08.2023
Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Polyarteriitis nodosa

Polyarteriitis nodosa (PAN, Panarteriitis nodosa, Periarteriitis nodosa, cPAN): Entzündliche Erkrankung der mittelgroßen Arterien, bei der es zu Gefäßverschlüssen und dadurch zu Schäden an Organen und Nerven kommen kann. Außerdem leiden die Betroffenen oft unter Allgemeinbeschwerden wie Gelenk- und Muskelschmerzen, Fieber und Gewichtsverlust. Die Ursache der immunologisch bedingten Erkrankung ist unklar, diskutiert wird ein Zusammenhang mit Virusinfektionen. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen und bei Erkrankung meist zwischen 40 und 50 Jahre alt. Behandelt wird vor allem mit Kortison, manchmal kombiniert mit anderen Immunsuppressiva. Die Prognose hängt davon ab, welche Organe beteiligt sind. Mit der richtigen Therapie bekommen die meisten Betroffenen die Erkrankung gut in den Griff.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Fieber, Schwäche, Nachtschweiß, Gewichtsverlust
  • Gelenk- und Muskelschmerzen, Kopfschmerzen
  • Übelkeit, Erbrechen, Koliken
  • Gefühlsstörungen, Lähmungen
  • Hodenschmerzen
  • Hautveränderungen: Rötungen, Hautgeschwüre (Knötchen), baum- und rankenförmige Streifen infolge der Entzündung der kleinen Unterhautgefäße.

Wann zur Arztpraxis

Am gleichen Tag, wenn

  • Lähmungen oder Hodenschmerzen auftreten.

Demnächst, wenn

  • es zu ungewöhnlichen Hauterscheinungen oder den oben genannten Allgemeinbeschwerden kommt.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Die Polyarteriitis nodosa zählt als Vaskulitis (Gefäßentzündung) zu den entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Betroffen sind vor allem die mittelgroßen Arterien, und dabei besonders die Abschnitte im Bereich von Gefäßgabelungen. Durch die unregelmäßigen entzündlichen Prozesse bilden sich im Verlauf der erkrankten Arterie Knötchen (deshalb der Name Polyarteriitis nodosa). Zerstört die Entzündung die Gefäßwand, können sich Blutgerinnsel bilden, die das Gefäß verstopfen – manchmal platzen die Gefäße aber auch, dann kommt es zu inneren Blutungen.

Ursachen und Risikofaktoren

Welche Ursachen der Gefäßzerstörung zugrunde liegen, ist unklar. Vermutet werden autoimmune Prozesse, also dass der Körper sein Immunsystem gegen sich selbst richtet. Bei vielen anderen rheumatischen Gefäßerkrankungen bildet das Immunsystem dann Antikörper gegen eigenes Gewebe. Das ist bei der Polyarteritis nodosa aber nicht der Fall. Es gibt Hinweise, dass Virusinfektionen beteiligt sind. Vor allem das Hepatitis-B-Virus scheint mit der Erkrankung in Zusammenhang zu stehen. Beobachtet wurde sie aber auch bei Infektionen mit dem HI-Virus und Hepatitis-C-Virus.

Klinik

Zu Beginn der Erkrankung dominieren oft Allgemeinbeschwerden wie Schwäche, Müdigkeit, Fieber und Gewichtsverlust. Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen kommen begleitend hinzu. Auch die typischen Hauterscheinungen treten meist früh auf.

Je nach Organbefall drohen im Verlauf weitere Beschwerden:

  • Bei etwa 80 % der Patient*innen sind die Herzkranzgefäße (Koronarien) beteiligt. Die Durchblutungsstörungen können einen Herzinfarkt auslösen.
  • Ein betroffener Darm macht sich mit Bauchschmerzen, Durchfall oder Koliken bemerkbar.
  • Häufig erkrankt auch das Nervensystem, die Folge sind Polyneuropathien mit Lähmungen oder Gefühlsstörungen sowie Schlaganfälle.
  • Sind Gefäße der Niere befallen, kommt es zu Bluthochdruck (weil die Nierengefäße bei der Blutdruckregulation eine Rolle spielen) und zur Nierenschädigung bis zum Nierenversagen.
  • Manchmal erkranken auch die Gefäße des Hodens, was sich mit starken Schmerzen bemerkbar macht.

Verlauf

Im Verlauf entzünden sich immer mehr Gefäße, wobei die Erkrankung sowohl hochakut, also sehr schnell, als auch langsam ablaufen kann. Unbehandelt endet die PAN meist tödlich, z. B. aufgrund von Herzinfarkt oder Nierenversagen. Mit einer ausreichenden Unterdrückung des Immunsystems (Immunsuppression) lässt sich die Entzündung eindämmen, häufig geht sie sogar komplett zurück.

Diagnosesicherung

Zunächst erhebt die Ärzt*in die Krankengeschichte und lässt sich die bisher aufgetretenen Beschwerden schildern. Bei der körperlichen Untersuchung achtet sie auf Hautveränderungen und misst den Blutdruck. Sie fragt nach Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Bauchschmerzen. Bei der neurologischen Untersuchung prüft sie, ob Muskelschwächen oder Lähmungen erkennbar sind und testet die Hautempfindlichkeit.

Danach folgen die Labortests sowie, wenn nötig, genauere Untersuchungen von Herz, Darm oder Nervensystem. Zur endgültigen Sicherung der Diagnose sind jedoch bildgebende Verfahren und – in den meisten Fällen – Gewebeproben erforderlich.

  • Laboruntersuchungen. Wie bei vielen entzündlichen Erkrankungen ist die Blutsenkungsgeschwindigkeit erhöht und es finden sich vermehrt weiße Blutkörperchen (Leukozyten) sowie Blutplättchen (Thrombozyten) im Blut. Ein Teil der Patient*innen weist einen positiven Rheumafaktor auf, einige auch Antigene von Hepatitis-B-Virus, Hepatitis-C-Virus oder HIV. Ist die Niere betroffen, kann der Urin auffällig sein und z. B. rote Blutkörperchen oder Eiweiß enthalten
  • Organuntersuchungen. Entsprechene Untersuchungen werden eingeleitet, wenn die Patient*in Organbeschwerden wie Angina pectoris, wiederholte Koliken oder Nierenschmerzen hat. Diese reichen je nach Befund von EKG, Ultraschall und speziellen Laboruntersuchungen bis hin zur Darmspiegelung.
  • Angiografie. Auch die radiologische Untersuchung bestimmter Gefäße mit Kontrastmittel kann bei der Diagnose nützlich sein, vor allem, wenn die Niere oder der Darm betroffen sind. Dabei lassen sich die typischen Veränderungen der erkrankten Gefäße häufig sehr gut erkennen. In manchen Fällen sind die Beschwerden der Patient*in und die Angiografie zusammen so eindeutig, dass schon damit die Diagnose steht.
  • Biopsien. Meist muss die Diagnose allerdings mit Gewebeproben gesichert werden. Diese entnimmt man aus symptomatischen Organen, so z. B. aus veränderten Hautbereichen, der Niere oder aus einem schmerzenden Muskel. Die Schwierigkeit liegt darin, ein betroffenes Gefäßstück zu erwischen. Häufig muss deshalb mehrfach biopsiert werden. Das gewonnene Gewebe wird unter dem Mikroskop untersucht. Liegt eine PAN vor, ist das Bild mit den knötchenförmig abgestorbenen Gefäßabschnitten typisch.

Differenzialdiagnose. Ausgeschlossen werden müssen andere Gefäßentzündungen, vor allem das Kawasaki-Syndrom, das neben kleinen auch mittelgroße Arterien befällt.

Behandlung

Um die Entzündung einzudämmen, verabreicht die Ärzt*in zunächst hoch dosiert Kortison über die Vene. In schweren Fällen bekommt die Patient*in zusätzlich noch andere Wirkstoffe, die die Immunreaktion unterdrücken (sog. Immunsuppressiva). Bei der PAN verwendet man dafür oft das ebenfalls intravenös gegebene Cyclophosphamid.

Im weiteren Verlauf wird das Kortison reduziert und Cyclophosphamid durch ein besser verträgliches Immunsuppressivum (z. B. Azathioprin) ersetzt. Ziel ist die Remission, d. h. dass die Entzündung komplett verschwindet. Häufig ist dazu eine längere Gabe von Kortison/Azathioprin erforderlich. Wann sich die Medikamente ganz abgesetzten lassen, ist individuell sehr verschieden.

Ist die PAN im Rahmen einer Virusinfektion aufgetreten, bekommt die Patient*in zusätzlich eine antivirale Therapie.

Prognose

Unbehandelt ist die Prognose schlecht: Nur 10 bis 15 % der Patient*innen überleben die ersten fünf Jahre nach Diagnosestellung. Unter Behandlung mit Immunsuppressiva erhöht sich Chance, die nächsten fünf Jahre zu überleben, auf über 80 %. Prognostisch entscheidend ist vor allem der Befall von Niere und Herz.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Osteoporose. Kortison erhöht die Gefahr für eine Osteoporose. Deshalb wird bei einer langfristigen Verordnung meist zur Einnahme von Vitamin D und Kalzium geraten. Außerdem muss in regelmäßigen Abständen die Knochendichte geprüft werden.

Infektprophylaxe. Unter Kortison und Immunsuppressiva steigt die Gefahr für Infekte. Um sich nicht anzustecken, sollte man Orte meiden, an denen sich viele Menschen auf engem Raum aufhalten (öffentliche Verkehrsmittel, Massenveranstaltungen). Ist dies nicht möglich, kann man sich auch mit Mund-Nasen-Maske vor Infektionen schützen. Achten Sie außerdem darauf, alle empfohlenen Impfungen zu erhalten. Ob Lebendimpfungen gestattet sind, hängt davon ab, wie hoch die täglich eingenommene Kortisondosis ist. Im Zweifel sprechen Sie Ihre Ärzt*in darauf an.

Schulungen. In vielen Kliniken werden spezielle Schulungen für Vaskulitis-Patient*innen angeboten. Nehmen Sie daran teil, wenn Sie die Möglichkeit haben.

Weiterführende Informationen

Die Rheuma-Liga bietet sowohl Informationen als auch Kontaktmöglichkeiten für Menschen mit seltenen rheumatischen Erkrankungen an.

Autor / Rechte
24.07.2023
Dr. med. Arne Schäffler; Dr. med. Brigitte Strasser-Vogel; in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Redaktionelle Bearbeitung: Dr. med. Sonja Kempinski

Polymyalgia rheumatica

Polymyalgia rheumatica (PMR): Entzündlich-rheumatische Erkrankung mit heftigen Schmerzen und Steifigkeit in den Schulter- und Hüftmuskeln beider Seiten. Zusätzlich kommt es oft zu Gelenkentzündungen und Allgemeinbeschwerden wie Abgeschlagenheit und Fieber. Jede fünfte Patient*in leidet gleichzeitig an einer Riesenzellarteriitis, bei der starke Kopfschmerzen und Sehstörungen drohen. Die PMR tritt fast ausschließlich bei Menschen über 50 Jahren auf, Frauen sind mehr als doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die Prognose ist bei sofortiger Behandlung mit hochdosiertem Kortison gut, meist verschwinden die Beschwerden schon nach wenigen Tagen. Um das Wiederaufflackern der Erkrankung zu verhindern, muss die Kortisontherapie in reduzierter Dosierung noch etwa zwei Jahre lang weitergeführt werden.

Hinweis: Die Polymyalgia rheumatica ist eng verwandt mit der Riesenzellarteriitis (RZA), häufig überlappen sich beide Formen. Manche Expert*innen halten die PMR auch für eine milde Form der RZA.

Leitbeschwerden

  • ·         Schmerzen vor allem in den Schultern, in Nacken und Oberarmen, seltener auch in Gesäß und Oberschenkeln, nachts und frühmorgens am heftigsten
  • ·Ausgeprägte Morgensteifigkeit
  • ·Schwierigkeiten, die Arme über die Schultern zu heben, dadurch z. B. Probleme beim Kämmen
  • Gelenkschmerzen
  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Fieber
  • ·         Kopfschmerzen und/oder Sehstörungen bei gleichzeitiger RZA.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen zur Internist*in oder Hausärzt*in, bei

  • symmetrischen Muskelschmerzen

  • pulsierenden, über Wochen zunehmenden Kopfschmerzen im Schläfenbereich.

Sofort zur Augenärzt*in,

  • wenn Sehstörungen auftreten, auch nachts oder am Wochenende.

Die Erkrankungen

Epidemiologie

Bezogen auf die Gesamtbevölkerung ist die PMR eher selten, da sie bei jungen und mittelalten Menschen kaum vorkommt. Anders sieht das bei den über 50-Jährigen aus. In dieser Gruppe erkranken jährlich 58 von 100.000 Einwohner*innen daran. Damit ist die PMR nach der rheumatoiden Arthritis die zweithäufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung im Alter, wobei Frauen mehr als doppelt so oft darunter leiden als Männer.

Innerhalb Europas ist beim Vorkommen der PMR ein Nord-Süd-Gefälle zu beobachten: Von 100.000 Menschen erkranken daran jährlich in Norwegen 113, in Italien dagegen nur 13.

Krankheitsentstehung

Bei der Polymyalgia rheumatica führen autoimmune, also gegen körpereigene Strukturen gerichtete Prozesse zu einer Entzündung verschiedener Gewebe. Betroffen sind u. a. mittelgroße und große arterielle Gefäße, vor allem die Arterie unter dem Schlüsselbein (Unterschlüsselbeinarterie, A. subclavia). Die Unterschlüsselbeinarterie versorgt die Arme und Bereiche von Nacken, Hals und Schultern mit Blut. Kommt es durch die Gefäßentzündung zur Einengung der Arterie, drohen schmerzhafte Durchblutungsstörungen.

Die Entzündung macht jedoch nicht an der Unterschlüsselbeinarterie halt. Sie breitet sich auf weitere Gefäße aus, die z. B. durch die anliegende Muskulatur ziehen. Häufig greift die Entzündung auch auf angrenzende Sehnenscheiden, Schleimbeutel und Gelenke über.

Ursache

Als Auslöser beider Autoimmunerkrankungen werden Infekte vermutet, womöglich begünstigt durch eine genetische Veranlagung. Auch Umweltfaktoren sollen eine Rolle spielen.

Klinik

Die Betroffenen entwickeln meist innerhalb weniger Tage ausgeprägte beidseitige Schmerzen in Nacken, Schultern und Oberarmen. Auch die Muskulatur von Gesäß und Oberschenkel kann betroffen sein. Die Schmerzen sind nachts und am frühen Morgen am stärksten. Typischerweise leiden PMR-Patient*innen morgens länger als 45 Minuten an einer ausgeprägten Morgensteifigkeit, weshalb ihnen das Aufstehen und Ankleiden häufig schwerfällt.

Oft kommen zu den Beschwerden geschwollene Gelenke dazu, betroffen sind vor allem Hand- und Kniegelenke. Im Kniegelenk können sich dabei schmerzhafte, oft erhebliche Kniegelenksergüsse bilden.

Allgemeine Beschwerden sind bei der PMR ebenfalls häufig. Dazu gehören Abgeschlagenheit, erhöhte Temperatur, Appetitmangel und Gewichtsverlust. Die Patient*innen schwitzen vermehrt, insbesondere nachts. Einige von ihnen entwickeln depressive Verstimmungen bis hin zu schweren Depressionen.

Jede fünfte Patient*in leidet zusätzlich an einer Riesenzellarteriitis (RZA), Hinweise darauf sind Kopfschmerzen, Kauschmerzen und Sehstörungen (siehe dort).

Hinweis: Sehstörungen im Rahmen einer PMR oder RZA sind ein Notfall und müssen sofort ärztlich behandelt werden. Unterbleibt dies, droht die Erblindung.

Diagnosesicherung

Die Diagnose basiert auf der Schilderung der Beschwerden sowie auf einer gründlichen klinischen Untersuchung. Auffällig sind dabei druckschmerzhafte Oberarme und Oberschenkel. Oft kann sich die Patient*in nicht in den Nacken fassen oder dahinter eine (vermeintlich vorhandene) Schürze zubinden (eingeschränkter Schürzen- und Nackengriff).

Im Blutlabor sind als Zeichen der ausgeprägten Entzündung die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und das CRP deutlich erhöht. Manchmal zeigt das Blutbild vermehrt weiße Blutkörperchen, d. h. eine Leukozytose. Nicht erhöht sind Muskelenzyme wie die Kreatinkinase und Autoantikörper. Dies festzustellen ist wichtig, weil die Ärzt*in damit andere Muskelentzündungen oder rheumatische Erkrankungen als Ursache der Beschwerden ausschließen kann (siehe Differenzialdiagnosen).

Bei der bildgebenden Diagnostik hilft insbesondere der Ultraschall weiter. Damit lassen sich Schleimbeutelentzündungen an Schultern und/oder Hüfte gut erkennen. In der Magnetresonanztomografie sind solche Veränderungen auch erkennbar, diese Untersuchung wird allerdings wegen der Kosten und des Aufwands seltener verwendet. Ansonsten werden bildgebende Verfahren wie das Röntgen vor allem zum Ausschluss anderer Ursachen eingesetzt.

Im Zweifel sichert ein Therapieversuch mit Kortison die Diagnose. Die Gabe von Kortison bessert die Beschwerden meist in kürzester Zeit (siehe Behandlung).

Differenzialdiagnosen. Schmerzen, Morgensteifigkeit und schmerzhaft bedingte Kraftlosigkeit sind Zeichen zahlreicher Erkrankungen. Dazu gehören Polymyositis und Dermatomyositis, Muskelerkrankungen durch Medikamente, aber auch die rheumatoide Arthritis, die septische Arthritis oder die Fibromyalgie. Mögliche Ursachen der genannten Beschwerden sind aber auch degenerative Erkrankungen an der Schulter, wie z. B. die Rotatorenmanschettenläsion.

Behandlung

Die Polymyalgia rheumatica spricht gewöhnlich schnell auf eine Therapie mit Kortison an. Die Beschwerden sind dann wie weggeblasen, viele Patient*innen fühlen sich wie neugeboren. Im Gegensatz dazu sind nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac oder andere Schmerzmittel nahezu wirkungslos und werden zur Behandlung der PMR nicht empfohlen.

Kortisontherapie. Ohne Beschwerden im Kopfbereich werden 12,5–30 mg Prednisolon pro Tag verordnet. Je nach Beschwerden und Entwicklung der BSG- und CRP-Werte wird die Kortisondosis langsam und schrittweise auf eine dauerhafte Erhaltungsdosis von möglichst weniger als 5 mg/Tag verringert. Die Therapie muss zur Verhütung von Rückfällen für mindestens ein Jahr beibehalten werden.

Liegen gleichzeitig Kopfschmerzen vor, muss sofort hochdosiert Kortison (40–60 mg Prednisolon pro Tag) gegeben werden. Bei einer Augenbeteiligung mit Sehstörungen bekommen die Patient*innen zunächst fünf Tage lang täglich 500–1000 mg Prednisolon intravenös, danach wird auf Tabletten umgestellt und die Dosis reduziert (siehe auch Riesenzellarteriitis).

Hinweis: Bei jeder zweiten PMR-Patient*in ist unter der langfristigen Kortisontherapie mit Nebenwirkungen zu rechnen. Besonders gefürchtet ist die kortisonbedingte Osteoporose, der man durch die Einnahme von Kalzium und Vitamin D vorbeugt. Ebenfalls entsprechend behandlungsbedürftig sind Blutdruckerhöhung, Infektionen, Katarakt und die Entwicklung eines Diabetes.

Andere Medikamente. Häufig verordnet die Ärzt*in zusätzlich zu Kortison das Immunsuppressivum Methotrexat oder den Interleukin-6-Hemmstoff Tocilizumab

Kontrollen und Nachsorge

Um die Krankheitsaktivität zu prüfen und die Kortisongabe entsprechend anzupassen, sind regelmäßige Kontrollen erforderlich. Im Zentrum stehen dabei Befragung, klinische Untersuchung und Bestimmung der Entzündungswerte CRP und BSG. Im ersten Jahr sollen diese Kontrolltermine alle vier bis acht Wochen erfolgen, im zweiten Jahr alle acht bis zwölf Wochen. Unverzüglich die Ärzt*in aufsuchen sollte man zudem, wenn die Beschwerden wieder auftreten oder wenn sich unter der Therapie Nebenwirkungen entwickeln.

Prognose

Bei frühzeitiger Behandlung mit Kortison ist die Prognose gut. Die Dauer der Erkrankung beträgt zwischen sechs Monaten und vier Jahren, in seltenen Fällen kann sie auch bis zu zehn Jahre anhalten.

Ihre Apotheke empfiehlt

Regelmäßige Tabletteneinnahme. Bei der Polymyalgia rheumatica ist es wichtig, sich ganz genau an die Verordnung der Medikamente zu halten. Nur so kann die Entzündung langfristig eingedämmt werden. Kortisontabletten sollten morgens eingenommen werden, das passt am besten zum körpereigenen zirkadianen Kortisonrhythmus. Denn die innere Kortisonausschüttung beginnt nachts gegen zwei oder drei Uhr und steigt bis zu ihrem Gipfel um ca. 8:30 morgens an. Danach fallen die Kortisonwerte im Blut wieder kontinuierlich ab und erreichen gegen Mitternacht ihren tiefsten Punkt.

Nicht abrupt absetzen. Unter einer Therapie mit Kortison schränkt der Körper seine eigene Kortisonproduktion stark ein. Wer von heute auf morgen seine Kortisontabletten absetzt, riskiert Entzugserscheinungen. Diese reichen von Übelkeit, Gelenkschmerzen, Schwäche und Müdigkeit bis zu Blutdruckabfall und Verwirrung. Um dies zu vermeiden, darf das Kortison nur vorsichtig und unter ärztlicher Aufsicht ausgeschlichen werden.

Nicht abwarten bei Beschwerden. Erneute Beschwerden dürfen nicht ausgesessen werden. Um die anti-entzündliche Therapie wieder anzupassen, ist möglichst rasch die behandelnde Ärzt*in aufzusuchen.

Bewegen und gesund ernähren. Unter einer Kortisontherapie droht die Gewichtszunahme. Hiergegen helfen Bewegung und eine gesunde Ernährung. Weil Kortison die Salzausscheidung einschränkt, sollte man möglichst salzarm essen. Milch und Milchprodukte versorgen den Organismus mit Kalzium und Eiweiß und beugen dem Verlust von Knochen- und Muskelmasse vor.

Weiterführende Informationen

  • Die Rheuma-Liga hält auf ihrer Webseite (https://www.rheuma-liga.de/) auch Informationen und Merkblätter zur Polymyalgia rheumatica vor.

Autor / Rechte
10.05.2023
Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, StutAktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Raynaud-Syndrom

Raynaud-Syndrom (Raynaud-Phänomen, Morbus Raynaud, Raynaud-Krankheit): Gefäßerkrankung mit anfallsartigen, schmerzhaften Gefäßkrämpfen (Vasospasmen) in den Fingern, seltener auch in den Zehen. Oft sind Kälte oder emotionaler Stress der Auslöser.

Beim primären Raynaud-Syndrom (vasospastisches Raynaud-Syndrom) treten diese Fehlregulationen der Gefäße auf, ohne dass an den Gefäßen selbst krankhafte Veränderungen festzustellen sind. Die Erkrankung ist unangenehm, aber nicht gefährlich. Bis zu 12 % der Bevölkerung leiden an dieser Erkrankung, betroffen sind vor allem junge Frauen.

Das seltenere sekundäre Raynaud-Syndrom ist Folge einer zugrundeliegenden Erkrankung oder unerwünschte Wirkung von gefäßverengenden Medikamenten. Es kann zu Dauerschäden kommen, zum Beispiel zu Geschwüren oder absterbendem Gewebe an den Fingerspitzen.

Für beide Formen sind der Schutz der Hände vor Kälte und Nässe wichtig, außerdem sollten die Betroffenen auf das Rauchen verzichten. In schweren Fällen kommen gefäßerweiternde Medikamente zum Einsatz, beim sekundären Raynaud-Syndrom ist zudem die adäquate Behandlung der Grunderkrankung essenziell.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Anfallartiges Abblassen, Weißwerden und anschließende Blaufärbung, manchmal noch überschießende schmerzhafte Rötung der Finger
  • Symptome an einzelnen oder mehreren Finger (fast nie der Daumen) beider Hände, seltener Zehen, selten Ohrmuscheln, Nase, Gesicht, Knie oder Brustwarzen
  • Schmerzen, Taubheitsgefühl und Kribbeln.

Wann zur Arztpraxis

Demnächst,

  • wenn die Beschwerden erstmalig auftreten.

Die Erkrankung

Epidemiologie

3 bis 16 % der Bevölkerung leiden unter einem primären oder sekundären Raynaud-Syndrom. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Das primäre Raynaud-Syndrom macht sich meist im Alter zwischen 14 und 40 Jahren bemerkbar. Treten Raynaud-Anfälle erst nach dem 40. Lebensjahr auf, ist dies ein Hinweis auf eine zugrundeliegende Erkrankung, also auf ein sekundäres Raynaud-Syndrom.

Klinik und Verlauf

Es ist normal, dass sich bei Kälte die kleinen Gefäße der Finger, Zehen und Haut verengen. Damit wird die Durchblutung gedrosselt und der Körper verliert weniger Wärme. Beim Raynaud-Syndrom reagieren die Arterien aber krampfartig, die Durchblutung wird zu stark und zu lange gedrosselt.

Die Anfälle dauern gewöhnlich wenige Minuten, selten bis zu einer Stunde. Sie verlaufen in drei Phasen, bei der sich die Haut von weiß über blau nach rot verfärbt (sog. Trikolore-Phänomen):

  • Die weiße Farbe entsteht durch die krampfbedingte Mangeldurchblutung. Parallel sind Missempfindungen und Taubheitsgefühl möglich.

  • Danach färben sich die betroffenen Finger aufgrund des Sauerstoffmangels blau.

  • Durch die Mangeldurchblutung häufen sich Abfallprodukte des Stoffwechsels in den Gefäßen. Sie führen dazu, dass sich der Gefäßkrampf wieder löst und die Arterien wieder durchblutet werden. Dann röten sich die betroffenen Finger meist stark und oft juckt, brennt oder sticht es. Lange oder häufige Attacken schädigen das Gewebe, insbesondere an den Fingerkuppen (Rattenbissnekrosen). In schweren Fällen sterben die Fingerkuppen, Endglieder oder gar ganze Finger ab, sodass amputiert werden muss. Das ist jedoch fast ausschließlich beim sekundären Raynaud-Syndrom der Fall.

Auslöser

Der wichtigste Auslöser für die Gefäßkrämpfe ist Kälte. Schon bei Temperaturen knapp unter 10° C kann es zu einem Anfall kommen – vor allem in Verbindung mit Nässe. Deshalb ist Händewaschen mit kaltem Wasser auch ein typischer Reiz. Betroffene berichten zudem, dass Temperaturwechsel Anfälle triggern.

Auch Stress steht oft am Anfang eines Anfalls. Das liegt daran, dass unter Stress das vegetative Nervensystem – genaugenommen der Sympathikusnerv – aktiviert wird. Über den Botenstoff Noradrenalin verengt es die Gefäße in den Außengebieten des Körpers, d. h. in den Fingern und Zehen. Vermutlich reagieren Raynaud-Patient*innen auf diese Signale stärker als andere und es kommt zu dem beschriebenen Gefäßkrampf.

Ursachen

Beim primären Raynaud-Syndroms gehen Expert*innen von Störungen der Temperaturregulation und einer erhöhten Empfindlichkeit der Gefäßmuskulatur auf Nervenreize aus. Die Ursache dafür ist jedoch nicht bekannt. Hinter einem sekundären Raynaud-Syndrom stecken dagegen nachweisbare Veränderungen in den Gefäßen der betroffenen Finger. Sie beruhen auf Erkrankungen oder entstehen durch äußere Einwirkungen oder als Nebenwirkungen von Medikamenten:

Entzündlich-rheumatische Autoimmunerkrankungen. Bei diesen Erkrankungen bildet der Körper Antikörper gegen das eigene Bindegewebe, zu dem auch die Wände der Gefäße gehören. Es kommt zu Entzündungen, Ablagerungen und Gefäßverengungen, die die Fingerarterien empfindlicher für Kälte und Stress machen. Am häufigsten entwickelt sich ein sekundäres Raynaud-Syndrom bei der systemischen Sklerose. Es kommt aber auch beim Lupus erythematodes, beim Sharp-Syndrom, bei Vaskulitiden oder der rheumatoiden Arthritis vor.

Medikamente. Zu den auslösenden Medikamenten gehören in erster Linie gefäßverengende Substanzen wie manche Betablocker und das Kopfschmerzmedikament Ergotamin. Aber auch Cabergolin (wird gegen Morbus Parkinson und zum Abstillen eingesetzt) und manche Antidepressiva und Amphetamine können Gefäßkrämpfe hervorrufen. Außerdem wird das Krebsmedikament Bleomycin mit Raynaud-Anfällen in Verbindung gebracht.

Äußere mechanische Einwirkungen. Starke und regelmäßige Vibrationen können ein traumatisches Raynaud-Syndrom hervorrufen. Besonders betroffen sind Menschen, die in ihrem Beruf mit Pressluft- oder Bohrhämmern sowie Kettensägen arbeiten. In diesen Fällen wird das sekundäre Raynaud-Syndrom als Berufskrankheit anerkannt. Ebenfalls als Berufskrankheit anerkannt wird ein sekundäres Raynaud-Syndrom, wenn es aufgrund kalter Umgebung auftritt, z. B. in einem Kühlhaus oder einer Fleischerei.

Bluterkrankungen. Bei manchen Erkrankungen ist das Blut zu dick, und es kommt dadurch zu Störungen der Durchblutung und einem sekundären Raynaud-Syndrom. Beispiele sind die Polyzythämie, die Thrombozytose, die Kryoglobulinämie oder Tumorerkrankungen, bei denen bestimmte "falsche" Proteine gebildet werden (Plasmozytom, Morbus Waldenström).

Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK). Diese Gefäßerkrankung führt zu Gefäßverengungen, die Raynaud-Anfällen Vorschub leisten können.

Komplikationen

Vor allem beim sekundären Raynaud-Syndrom kommt es zu Komplikationen. Die verminderte Durchblutung kann zu Störungen der Schweißsekretion, der Verhornung und der Wundheilung führen. Das Gewebe wird nicht ausreichend ernährt, es droht das Absterben von Bereichen an den Finger- oder Zehenspitzen, sogenannte akrale Nekrosen.

Diagnosesicherung

Oft genügt der Ärzt*in eine ausführliche Beschreibung der Beschwerden zur Diagnose eines Raynaud-Syndroms. In zweifelhaften Fällen provoziert die Ärzt*in einen Anfall durch Eintauchen der Hand in Eiswasser. Daneben gibt es noch weitere klinische Untersuchungen zur Diagnosesicherung

  • Faustschluss-Probe: Die Ärzt*in umfasst das Handgelenk der Patient*in und blockiert dabei die zuführenden Arterien. Dann hebt die Patient*in den Arm und schließt die Faust kräftig 20 Mal. Danach wird der Druck auf das Handgelenk gelockert und geprüft, wie schnell sich die Blutgefäße wieder füllen. Bei Raynaud-Symptomatik blassen einzelne Finger ab, und die Wiederdurchblutung ist verzögert.

  • Allen-Test: Hierbei drückt die Ärzt*in nacheinander auf die daumenseitige bzw. kleinfingerseitige zuführende Handarterie (Arteria radialis und Arteria ulnaris). Danach wird jeweils geprüft, wie schnell sich die Durchblutung der Finger erholt.

Liegt ein Raynaud-Syndrom vor, ist die Unterscheidung zwischen primärer oder sekundärer Form wichtig. Dazu sind weitere Untersuchungen nötig:

Klinik. Ein primäres Raynaud-Syndrom tritt meist symmetrisch, d. h. an beiden Händen oder Füßen auf. Die sekundäre Form zeigt sich oft asymmetrisch an nur einer Hand oder einem Fuß. Außerdem kommt es bei der sekundären Form häufiger zu Geschwüren und Nekrosen an den Fingerspitzen.

Labor. Mit dem Labor lässt sich den verschiedenen möglichen Grunderkrankungen auf die Spur kommen. Das Blutbild zeigt Bluterkrankungen, z. B. mit einer erhöhten Anzahl von Thrombozyten oder Erythrozyten. Der Anstieg der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und anderer Entzündungswerte ist ein Hinweis auf entzündlich-rheumatische Erkrankungen. Diese lassen sich weiter durch den Nachweis spezieller Antikörper einkreisen.

Nagelfalz-Kapillarmikroskopie: Hierbei untersucht die Ärzt*in mithilfe eines Mikroskops die kleinen Gefäße im Nagelbett mit einer bis zu 100-fachen Vergrößerung. Während die Kapillaren beim primären Raynaud-Syndrom unauffällig sind, finden sich bei den entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (vor allem bei der systemischen Sklerose!) typische Veränderungen an den Gefäßen.

Bildgebende Verfahren wie die Darstellung der Gefäße mittels Angiografie oder spezielle Ultraschalluntersuchungen setzen die Ärzt*innen vor allem bei unklaren Fällen oder dem Verdacht auf Gefäßverschlüsse ein.

Differenzialdiagnosen. Wichtig ist, gefährliche Durchblutungsstörungen wie den akuten Verschluss einer Arterie abzugrenzen. Weitere Differenzialdiagnosen sind die Akrozyanose, bei der es nur zu einer Blaufärbung, und die Erythromelalgie, bei der es nur zur Rotfärbung der Finger kommt.

Behandlung

Zunächst sollten die Patient*innen versuchen, die Anfälle ohne Medikamente in den Griff zu bekommen. Insbesondere beim primären Raynaud-Syndrom reicht das oft aus. Geeignete Tipps finden sich unter "Ihre Apotheke empfiehlt".

Genügen diese Maßnahmen nicht, stehen verschiedene medikamentöse Therapien zur Wahl

Medikamentöse Therapie

Kalziumantagonisten. Diese gefäßerweiternden Medikamente sind erste Wahl beim Raynaud-Syndrom. Sie senken allerdings den Blutdruck und können deshalb Müdigkeit, Schwindel und Kopfschmerzen auslösen.

Nitrate. Auch Nitrate erweitern die Gefäße. Sie werden als durchblutungsfördernde Salben verabreicht. In Deutschland steht kein Fertigpräparat zur Verfügung, eine entsprechende Salbe kann allerdings auf ärztliches Rezept in der Apotheke angemischt werden.

Für schwere Verläufe gibt es weitere gefäßerweiternde Optionen, z. B. die PDE-5-Hemmstoffe wie Sildenafil oder den Endothelinantagonisten Bosentan. Nur in Ausnahmefällen werden gefäßerweiternde Medikamente (Prostaglandine) wiederholt per Infusion verabreicht.

Behandlung der Grunderkrankung

Beim sekundären Raynaud-Syndrom stehen die Behandlung der auslösenden Grunderkrankung oder das Weglassen gefäßverengender Substanzen im Vordergrund. Ist die Arbeit der Auslöser, ist eine Umschulung zu erwägen.

Prognose

Schützen sich Betroffene mit primärem Raynaud-Syndrom ausreichend vor Kälte und Nässe, ist die Prognose gut. Beim sekundären Raynaud-Syndrom ist die Behandlung der Grunderkrankung bzw. das Vermeiden der Auslöser essenziell.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Akute Hilfe. Bei einem Anfall gehen Sie am besten in die Wärme, lassen sich warmes (nicht heißes) Wasser über die Hände fließen, massieren oder bewegen die Hände oder stecken Sie sie unter die Achseln.

Vor Kälte schützen.Schützen Sie den Körper vor Kälte, z. B. durch warme Kleidung. Zu empfehlen sind Handwärmer, die in jeder Jackentasche Platz finden. Solche Handwärmer gibt es in unterschiedlichen Ausführungen: Bei Gelkissen wird durch Druck auf eine Metallscheibe im Kissen ein Kristallisationsprozess in Gang gesetzt, der über mehrere Stunden hinweg Wärme freisetzt. Sie werden durch Kochen im Wasserbad wieder „aufgeladen“. Taschenöfen aus Edelstahl werden mit Feuerzeugbenzin betrieben, sie haben eine Brenndauer von bis zu 15 Stunden. Andere Handwärmer sind luftdicht einzeln verpackt, sie enthalten eine Mischung natürlicher Mineralien, die beim Kontakt mit Sauerstoff bis zu 6 Stunden lang Wärme abgeben.

Rauchen abgewöhnen. Da Rauchen weitere Durchblutungsstörungen verursacht, sollten Sie es unbedingt unterlassen.

Vorsicht mit Kopfschmerz- oder Erkältungsmitteln. Diese Wirkstoffe enthalten häufig Substanzen, die die Gefäße verengen. Halten Sie deshalb Rücksprache mit Ihrem Arzt, welche Medikamente bei Kopfschmerzen oder Schnupfen für Sie geeignet sind.

Fingertraining. Muskelkräftigende Übungen mit sog. Griptrainern können die Durchblutung der Fingermuskulatur verbessern.

Kneippsche Güsse. Wechselbäder zielen auf eine Verbesserung des Blutflusses in den Gefäßen. Infrage kommen z. B. ansteigende Fußbäder, heiß-kalte Wechselduschen und warme Teilbäder mit Kohlensäure oder Pflanzenzusätzen (z. B. Rosmarin, Wacholder). Vorsicht geboten ist bei Kneippschen Güssen, weil diese oft Gefäßkrämpfe auslösen.

Entspannung. Häufig werden beim primären Raynaud-Syndrom Entspannungsübungen und Biofeedback empfohlen. Die Studienlage dazu ist dürftig, sodass die Leitlinien weder eine Empfehlung dafür noch dagegen abgeben.

Autor / Rechte
08.05.2023
Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Riesenzellarteriitis

Riesenzellarteriitis (RZA, Arteriitis temporalis, Arteriitis cranialis, Temporalarteriitis, Schläfenarterienentzündung, Horton-Magath-Brown-Syndrom): Entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gefäße im Bereich von Hals und Kopf mit starken, oft schläfenbetonten Kopfschmerzen, manchmal auch weiteren Beschwerden wie Kauschmerzen oder Sehstörungen. Betroffen sind vor allem Frauen über 50 Jahre. Weil die Gefäßentzündungen Schlaganfälle oder eine plötzliche Erblindung auslösen können, ist die Erkrankung ein Notfall und muss umgehend behandelt werden. Bei sofortiger Gabe von hochdosiertem Kortison ist die Prognose gut. Allerdings kommt es bei der RZA häufig zu Rückfällen. Um diese zu vermeiden, ist eine langfristige Therapie mit Kortison oft unumgänglich.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Pulsierende, über Wochen zunehmende Kopfschmerzen, häufig im Bereich der Schläfe
  • Knötchenförmig verdickte, druckempfindliche Schläfenarterie
  • Augenschmerzen und Sehstörungen (schwarze Balken, Gesichtsfeldausfälle, Doppelbilder) bis hin zur plötzlichen Erblindung
  • Kieferschmerzen beim Reden, Kauen oder Schlucken
  • Allgemeinbeschwerden wie Schwäche, Müdigkeit und Krankheitsgefühl.

Wann in die Arztpraxis

Sofort in die Augenarztpraxis,

  • wenn Sehstörungen auftreten, auch nachts oder am Wochenende.

In den nächsten Tagen zur internistischen oder Hausarztpraxis, bei

  • pulsierenden, über Wochen zunehmenden Kopfschmerzen im Schläfenbereich.

Die Erkrankung

Epidemiologie

Die RZA kommen vor allem bei Frauen in der zweiten Lebenshälfte vor. In der Altersgruppe ab 50 Jahren erkranken in Deutschland etwa 44 pro 100.000 Menschen daran. In Europa besteht ein starkes Nord-Süd-Gefälle: In Skandinavien ist die RZA ungefähr zehnmal häufiger vertreten als in Südeuropa.

Krankheitsentstehung

Bei der RZA handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der sich die Immunabwehr des Körpers gegen eigenes Gewebe richtet. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen bestimmte weiße Blutkörperchen, und zwar Lymphozyten (vor allem T-Zellen) und Makrophagen. Diese Immunzellen wandern vermehrt in die Gefäßwände und lösen dort knötchenförmige (granulomatöse) Entzündungen aus. Dabei spielen auch von den T-Zellen produzierte Botenstoffe eine wichtige Rolle: Interleukine und Interferon. Die Makrophagen ordnen sich in diesem Prozess häufig typisch an: Sie schließen sich zu sog. Riesenzellen zusammen, die in der Gewebeprobe meist gut zu erkennen sind und der Krankheit ihren Namen gegeben haben.

Die entzündeten Arterien können sich verengen und sich sogar verschließen. Je nachdem, welche Arterien betroffen sind, drohen schwere Durchblutungsstörungen im Gehirn und in der Netzhaut. Mögliche Folgen sind Schlaganfall, Sehstörungen und Erblindung.

Ursachen

Wodurch die Autoimmunreaktionen bei der RZA ausgelöst werden, ist nach wie vor ungeklärt. Eine genetische Veranlagung wird wie bei den meisten rheumatischen Erkrankungen vermutet.

Eine Zeit lang ging man davon aus, dass Infekte die RZA triggern können, etwa eine Infektion mit dem Parvovirus B19. Beweise gibt es dafür jedoch nicht. Weil die Erkrankung vermehrt in Ballungsräumen und jahreszeitlich schwankend auftritt, vermuten Expert*innen auch Umweltfaktoren als Ursachen.

Klinik

Die Riesenzellarteriitis kann eine Vielzahl von Beschwerden auslösen. Im Vordergrund stehen meist Kopfschmerzen, die als pulsierend und bohrend beschrieben werden. Sie betreffen vor allem die Schläfenregion, treten manchmal aber auch in anderen Bereichen des Kopfes auf. Sie können sowohl schleichend beginnen als auch akut und überaus stark einsetzen. Typisch ist, dass sie durch die Einnahme üblicher Schmerzmittel kaum zu beeinflussen sind.

Besonders gefürchtet ist bei der RZA die Entzündung von Augenarterien. Diese macht sich durch Sehstörungen wie z. B. Flimmern, Doppelbilder oder Gesichtsfeldausfälle bemerkbar. Im schlimmsten Fall kommt es zum kompletten Sehverlust des betroffenen Auges. Bleibt die Patient*in dann unbehandelt, erblindet in 60 % der Fälle innerhalb weniger Tage das zweite Auge ebenfalls.

Manchmal breitet sich die Entzündung auch auf Äste der großen Hauptschlagader des Kopfes (Arteria carotis) aus. Dann wird die Kaumuskulatur nicht mehr ausreichend durchblutet und es kommt zu Schmerzen beim Kauen oder zu einer schmerzlosen Kiefersperre.

Bis zu 60 % der Patient*innen entwickeln zudem Beschwerden einer Polymyalgia rheumatica mit Muskel- und Gelenkschmerzen und Morgensteifigkeit. Häufig sind während der Erkrankung auch Allgemeinsymptome wie Fieber, Krankheitsgefühl, Nachtschweiß und Gewichtsverlust.

Komplikationen

Trotz guten Ansprechens auf die Kortisontherapie, kommt es bei jeder zweiten Patient*in innerhalb des ersten Jahres nach Erkrankung zu einem Rezidiv, d. h. einem Rückfall. Im längeren Verlauf steigt das Rezidivrisiko sogar noch: Innerhalb von fünf Jahren nach Erkrankung erleiden 80 % der Betroffenen einen erneuten entzündlichen Schub der RZA.

Risikofaktoren für Rückfälle sind

  • weibliches Geschlecht
  • allgemeine Beschwerden wie z. B. Fieber
  • Kortisontherapie unter 10 mg/Tag Prednisolon
  • Beteiligung von Gefäßen außerhalb des Schädels.

Diagnosesicherung

Die Diagnose basiert auf der Schilderung der Beschwerden durch den Betroffenen sowie auf dem Eindruck ausgeprägter Schwäche. Bei etwa 80 % der Patient*innen lässt sich eine verdickte, verhärtete und druckschmerzhafte Schläfenarterie tasten. Im Blutlabor ist typischerweise die Blutsenkungsgeschwindigkeit stark beschleunigt, was man auch Sturzsenkung nennt. Ebenfalls erhöht sind das Entzündungsprotein CRP und häufig auch die weißen Blutkörperchen (Leukozyten), manchmal steigen auch die Fibrinogen- und Ferritinwerte.

Gesichert wird die Diagnose durch bildgebende Verfahren und/oder eine Gewebeprobe Biopsie der Schläfenarterie.

  • Bildgebende Verfahren. Die Ultraschalluntersuchung (Duplexsonografie) von Schläfen- und Achselarterien ist heute die erste Wahl bei der Diagnose der RZA. Darin lässt sich die durch die Entzündung verdickte Gefäßwand meist gut erkennen, oft sieht man auch einen sanduhrförmigen Verlauf der Arterie. Als Alternative zum Ultraschall gilt die hochauflösende Magnetresonanztomografie. Vermutet die Ärzt*in die Beteiligung von Gefäßen außerhalb des Schädels, wird häufig eine Angiografie, eine Computertomografie (CT) oder eine PET-CT herangezogen.
  • Gewebeprobe. Sind Ultraschall und MRT nicht aussagekräftig genug, entnimmt die Ärzt*in unter örtlicher Betäubung eine 1–1,5 cm lange Gewebeprobe aus der Schläfenarterie. Diese wird in der Pathologie auf die typischen Veränderungen hin untersucht (z. B. Riesenzellen und ein typisches Entzündungsbild in der Gefäßwand).

Hinweis: Die Diagnostik darf den Beginn einer Kortisontherapie keinesfalls verzögern. Beim leisesten Verdacht auf eine RZA muss damit hochdosiert begonnen werden, bildgebende Verfahren oder Biopsie werden dann parallel zur Therapie vorgenommen.

  • Differenzialdiagnosen. Wichtige Differenzialdiagnosen sind Spannungskopfschmerzen oder eine neu aufgetretene Migräne. Abzuklären sind auch Kopfschmerzen anderer Ursachen wie z. B. bei einer Sinusvenenthrombose oder bei Infektionen. Weitere Differenzialdiagnosen sind andere rheumatische Erkrankungen und Hirntumoren. Auch eine Entzündung der Herzklappen (Endokarditis) kann sich ähnlich äußern wie eine RZA. Bei Sehstörungen gehören Erkrankungen des Auges zu den Differenzialdiagnosen, z. B. eine Optikusneuropathie.

Behandlung

Kortisontherapie

Mittel der Wahl ist bei der RZA die sofortige Kortisongabe in Form von Prednisolon oder einem gleich starken Glukokortikoid. Liegen keine Sehstörungen vor, beginnt man meist mit 40–60 mg Prednisolontabletten pro Tag. Bei akuten Sehstörungen muss das Kortison deutlich höher dosiert werden, z. B. drei bis fünf Tage lang 500 bis 1000 mg/Prednisolon intravenös. Danach geht es in geringerer Dosierung mit Tabletten weiter.

Sobald die Entzündung abgeklungen ist, senkt die Ärzt*in die Dosis schrittweise. Das ist wichtig, weil eine langfristige Kortisontherapie etliche Nebenwirkungen und Risiken birgt. So erhöhen sich Blutzucker und Cholesterinwerte, oft steigt der Blutdruck und es kommt zur Gewichtszunahme und Fettumverteilung.

Ziel ist, die Dosis im Verlauf der nächsten Monate so weit wie möglich zu reduzieren. Kommt es allerdings zu einem Rückfall, erhöht die Ärzt*in die Prednisolondosis wieder.

Befindet sich die Patient*in zwölf Monate lang in Remission, kann versucht werden, das Kortison vollständig abzusetzen. Remission bedeutet normale BSG- und CRP-Werte, keine klinischen Beschwerden und keine fortschreitenden Gefäßverengungen in der bildgebenden Diagnostik.

Kortisonsparende Therapie

Bei manchen Patient*innen lässt sich die hohe Kortisondosis nicht reduzieren, weil die Krankheit bei Dosisreduktion sofort wieder aufflackert. Andere Patient*innen haben ein hohes Risiko für Kortisonfolgeschäden, z. B. weil sie ohnehin unter Osteoporose oder Diabetes leiden. Für sie ist eine langfristige Kortisonbehandlung besonders ungünstig.

In solchen Fällen empfehlen die Leitlinien eine zusätzliche Therapie mit dem Interleukin-6-Hemmer Tocilizumab oder dem Wirkstoff Methotrexat. Durch die entzündungshemmenden Eigenschaften dieser Substanzen kann das Prednisolon schneller reduziert und evtl. komplett abgesetzt werden.

Prognose

Bei sofortiger Behandlung mit hoch dosiertem Kortison ist die Prognose gut. Allerdings kommt es oft zu Rückfällen.

Ihre Apotheke empfiehlt

Regelmäßige Tabletteneinnahme. Bei der RZA ist es wichtig, sich ganz genau an die Verordnung der Medikamente zu halten. Nur so kann die Entzündung langfristig eingedämmt werden. Die Kortisontabletten sollten morgens eingenommen werden, das passt am besten zum körpereigenen zirkadianen Kortisonrhythmus. Denn die innere Kortisonausschüttung beginnt nachts gegen zwei oder drei Uhr und steigt bis zu ihrem Gipfel um ca. 8:30 Uhr morgens an. Danach fallen die Kortisonwerte im Blut wieder kontinuierlich ab und erreichen gegen Mitternacht ihren tiefsten Punkt.

Nicht abrupt absetzen. Unter einer Therapie mit Kortison schränkt der Körper die eigene Kortisonproduktion stark ein. Wer von heute auf morgen seine Kortisontabletten absetzt, riskiert Entzugserscheinungen. Diese reichen von Übelkeit, Gelenkschmerzen, Schwäche und Müdigkeit bis zu Blutdruckabfall und Verwirrung. Um dies zu vermeiden, darf das Kortison nur vorsichtig und unter ärztlicher Aufsicht ausgeschlichen werden.

Nicht abwarten bei Beschwerden. Erneute Beschwerden dürfen keinesfalls ausgesessen werden. Um die anti-entzündliche Therapie wieder anzupassen, ist möglichst rasch die behandelnde Ärzt*in aufzusuchen. Sehstörungen gelten als Notfall, es droht die Erblindung. Deshalb sollten Betroffene sofort zur Ärzt*in, auch am Wochenende oder nachts.

Bewegen und gesund ernähren. Unter einer Kortisontherapie kommt es leicht zu einer Gewichtszunahme. Hiergegen helfen Bewegung und eine gesunde Ernährung. Weil Kortison die Salzausscheidung einschränkt, sollte man möglichst salzarm essen. Milch und Milchprodukte versorgen den Organismus mit Kalzium und Eiweiß und beugen dem Verlust von Knochen- und Muskelmasse vor.

Weiterführende Informationen

S2k-Leitlinie Management der Großgefäßvaskulitiden Deutsche Gesellschaft der Rheumatologie

Autor / Rechte
12.10.2023
Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Thrombangiitis obliterans

Thrombangiitis obliterans (Buerger-Syndrom, Endangiitis obliterans, Morbus Winiwarter-Buerger): Schubweise verlaufende Entzündung der mittleren und kleinen Arterien und Venen der Gliedmaßen. Die nachfolgenden Durchblutungsstörungen führen zunächst zu Missempfindungen und Kälteempfindlichkeit an Füßen oder Händen, später kommen Schmerzen, Geschwüre und Gewebenekrosen hinzu. Betroffen sind meist Männer unter 40, zu 95 % starke Raucher. Wichtigste Behandlungsmaßnahme ist der sofortige Verzicht auf Tabak. Daneben werden zur Verbesserung der Durchblutung Medikamente oder gefäßchirurgische Maßnahmen eingesetzt. Langfristig müssen etwa drei Viertel der Betroffenen mit einer oder sogar mehreren Amputationen von Fingergliedern, Zehen oder Teilen des Fußes rechnen.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Missempfindungen und Kältegefühl an Zehen, Füßen, Fingern oder Händen
  • Raynaud-Symptomatik
  • Belastungsabhängige Schmerzen an der Fußsohle oder in der Hohlhand
  • Schlecht heilende Geschwüre an Händen und Füßen.

Wann in die Arztpraxis

Demnächst, wenn

  • oben genannte Beschwerden auftreten.

Die Erkrankung

Die Thrombangiitis obliterans ist eine chronische Gefäßerkrankung, bei der es in kleinen und mittelgroßen Arterien oder Venen schubweise zu segmentalen Entzündungen der Gefäßwände kommt. In den betroffenen Abschnitten bilden sich leicht Blutgerinnsel (Thromben), die das Gefäß verengen oder sogar ganz verschließen.

Aufgrund der reduzierten oder komplett unterbundenen Durchblutung wird das hinter dem Thrombus liegende Gewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Dadurch kommt es in den Füßen oder Händen zu Schmerzen bei Bewegung. Kleine Wunden können nicht mehr richtig abheilen und es entwickeln sich Geschwüre. Im schlimmsten Fall stirbt das Gewebe komplett ab und die Finger oder Zehen werden schwarz.

Epidemiologie

Die Thrombangiitis obliterans ist in Europa und den USA eher selten. Man rechnet, dass nur bis zu 5 % der Patient*innen mit einem Arterienverschluss daran erkrankt sind. In Osteuropa, im Mittleren und Fernen Osten ist die Thrombangiitis viel häufiger: Dort sind bis zu 80 % der Patient*innen mit Gefäßverschlüssen davon betroffen.

Männer erkranken zudem deutlich häufiger an der Thrombangiitis obliterans als Frauen. Der Altersgipfel bei Erkrankung liegt zwischen 35 und 45 Jahren.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursache dieser Gefäßentzündung (Vaskulitis) ist bisher nicht bekannt. Es gibt Vermutungen, dass autoimmune Reaktionen dahinterstecken. Manche Fachleute gehen auch von Infektionen aus. Die starken Unterschiede in der weltweiten Verteilung sprechen dafür, dass die genetische Veranlagung eine Rolle spielt.

Entscheidend für die Entwicklung der Erkrankung ist offenbar der Tabakkonsum, und zwar in jeder Form. Der Reiz der Tabakinhaltsstoffe auf die Gefäßwände wird von vielen Fachleuten als ein Trigger angesehen, der bei entsprechend veranlagten Menschen die chronische Entzündung auslöst. Als weiterer Risikofaktor gilt das männliche Geschlecht: Bei gleichem Rauchkonsum sind Männer weitaus häufiger von einer Thrombangiitis obliterans betroffen als Frauen.

Klinik und Verlauf

Die Beschwerden beginnen häufig mit dem Gefühl von Brennen, Kribbeln oder Taubheit an Unterschenkeln und Füßen, seltener auch an Unterarmen oder Armen. So gut wie immer sind beide Beine bzw. Arme betroffen, manchmal auch alle vier Gliedmaßen zusammen. Weiterhin sind Finger und Zehen der Betroffenen oft besonders kälteempfindlich, jede Zweite entwickelt ein Raynaud-Syndrom. In relativ kurzer Zeit entstehen Geschwüre, die schlecht heilen, und es kommt zu bewegungsabhängigen Schmerzen in Füßen oder Händen.

Im weiteren Verlauf werden die Zehen oder Fingerspitzen oft blau und schmerzen auch in Ruhe stark. Meist bilden sich weitere Geschwüre aus, die sich leicht mit Pilzen oder Bakterien infizieren. In diesem Stadium droht das Gewebe komplett abzusterben und es kommt zum Verlust von Zehen oder Fingerkuppen.

Manchmal entzünden sich auch die oberflächlichen Venen. Dies zeigt sich durch eine strangförmige Rötung und Druckschmerzhaftigkeit im Bereich des Gefäßes.

Komplikationen

Bei stark ausgeprägten Beschwerden entwickeln die Betroffenen Allgemeinsymptome wie Fieber und Abgeschlagenheit. Manche nehmen auch ungewollt deutlich an Gewicht ab. In einigen Fällen leiden die Patient*innen zusätzlich unter ausgeprägten Muskel- oder Gelenkschmerzen.

Diagnosesicherung

Oft gibt schon die Krankengeschichte Hinweise auf eine Thrombangiitis obliterans. Verdächtig sind Missempfindungen oder bewegungsabhängige Schmerzen an Fußsohle oder Hohlhand – vor allem, wenn die Betroffene raucht und zwischen 30 und 40 Jahren alt ist.

Bei der klinischen Untersuchung achtet die Ärzt*in vor allem auf kleine Geschwüre oder schlecht heilende Wunden an den Fingern oder Zehen. Zur Überprüfung der Durchblutung dienen folgende Tests und Untersuchungen:

  • Pulsstatus erheben. Dazu misst die Ärzt*in alle erreichbaren Pulse an den Gliedmaßen, in den Leisten und am Hals.
  • Ratschow-Lagerungsprobe. Dabei liegt die Patient*in auf dem Rücken, hebt die Beine und lässt die Füße zwei Minuten kreisen. Bei Durchblutungsstörungen blasst das Bein ab. Außerdem braucht der Fuß nach dem Aufsitzen und Herabhängenlassen länger als 5 Sekunden, um sich wieder mit Blut zu füllen – was man an der Rötung erkennt.
  • Allen-Test. Beim Allen-Test wird die Durchblutung der Hand geprüft. Während die Ärzt*in die zuführenden Arterien abdrückt, öffnet und schließt die Patient*in die Hand und diese blasst ab. Werden die Arterien nicht mehr abgedrückt, muss die normale Farbe der Hand schlagartig zurückkommen. Bei Durchblutungsstörungen verzögert sich dies.

Untermauert wird die Diagnose durch bildgebende Verfahren. Dazu ist nicht immer eine Angiografie (d. h. eine röntgenologische Untersuchung der Gefäße mit Kontrastmittel) nötig. Oft lassen sich die typischen Befunde auch im Ultraschall (Farbduplexsonografie), vor allem aber mit einer kontrastverstärkten Magnetresonanztomografie (MR-Angiografie) nachweisen. Für die Erkrankung sprechen u. a. ein abschnittsweiser Befall der Arterien und scharf begrenzte Gefäßverschlüsse. Ganz wichtig ist zudem, dass die nicht entzündeten Gefäßabschnitte glattwandig sind, d. h. dass keine allgemeine Arteriosklerose vorliegt (das spräche gegen eine Thrombangiitis obliterans).

Eine 100%ige Diagnose liefert jedoch nur die Biopsie. Die Entnahme einer Gewebeprobe aus dem betroffenen Gefäß ist allerdings riskant, weil dadurch die ohnehin schon kritische Durchblutung noch mehr gefährdet wird. Deshalb stellt man die Diagnose in der Gesamtschau. Dafür gibt es verschiedene Scoring-Systeme, die die unterschiedlichen Befunde bepunkten. In jedem Fall dürfen für die Diagnose keine anderen Gründe für die Gefäßverschlüsse vorliegen.

Differenzialdiagnosen. Gefäßverschlüsse kommen bei zahlreichen Erkrankungen vor. Sie alle müssen für die Diagnose der Thrombangiitis obliterans ausgeschlossen werden. Die wichtigsten sind die Arteriosklerose, eine diabetische Angiopathie, Thromboembolien und rheumatisch bedingte Vaskulitiden.

Behandlung

Ziel der Behandlung ist die Verbesserung der Durchblutung und dadurch das Vermeiden von (weiteren) Amputationen. Grundvoraussetzung dafür ist die Tabakentwöhnung: Die Patient*in darf in Zukunft weder aktiv noch passiv rauchen. Auch wenn es schwierig ist, diese Maßnahme umzusetzen, sollte die Ärzt*in immer wieder darauf dringen. Denn schon allein der Tabakverzicht senkt Studien zufolge das Amputationsrisiko.

Der Nutzen der weiteren therapeutischen Maßnahmen wird unterschiedlich bewertet. Da die zugrundeliegenden Mechanismen nicht geklärt sind, gibt es keinen heilenden Therapieansatz. Folgende Optionen setzt man einzeln oder auch kombiniert ein:

  • Prostanoide. Diese Wirkstoffe (v. a. das Prostazyklinanalogon Iloprost) erweitern die Gefäße und werden über drei bis vier Wochen täglich direkt in die Vene verabreicht.
  • Endothel-Rezeptor-Antagonisten und Kalziumkanalblocker. Sie erweitern ebenfalls die Gefäße und werden als Tabletten eingenommen.
  • Schmerzmittel. Bei leichteren Schmerzen reichen oft nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen aus. Starke Schmerzen müssen meist mit Opioiden behandelt werden.
  • Blutverdünnung. Thrombozytenaggregationshemmer (Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel) oder orale Antikoagulanzien sollen die Blutgerinnung vermindern und die Bildung von Thromben verhindern.
  • Sympathektomie. Dabei durchtrennt die Operateur*in diejenigen sympathischen Nervenfasern, die in der betroffenen Region die Arterien eng stellen. Auf diese Weise fördert man die Weitstellung der Gefäße und die Durchblutung.
  • Rückenmarkstimulation. Ähnlich wie die Sympathektomie wirkt ein eingepflanzter Nervenschrittmacher. Über Nervenimpulse sorgt er durch Abschalten der sympathischen Nervenfasern für eine Erweiterung der Gefäße.
  • Stammzelltherapie. Dieses Verfahren stimuliert die Wundheilung bei chronischen Wunden.
  • Immunadsorption. Dieses eher selten eingesetzte Verfahren ist eine Art Blutwäsche. Dabei soll die Erkrankung durch das Entfernen von Immunzellen aus dem Blut gelindert werden.

Gefäßchirurgische Verfahren und Amputation

Im Falle eines Gefäßverschlusses kann die Chirurg*in mit verschiedenen Techniken versuchen, die Arterie wieder zu öffnen. Bei einem akuten Verschluss gelingt es manchmal, den Thrombus oder Embolus mithilfe eines Katheters zu entfernen oder mit einem Medikament aufzulösen. Bei chronischen Verschlüssen oder Verengungen kann ein Bypass, also eine Umgehung des verschlossenen Gebiets, angelegt werden. Insgesamt sind die Erfolgsaussichten der gefäßchirurgischen Maßnahmen nicht sehr hoch.

Wenn sich das Gewebe nicht mehr retten lässt, steht die Amputation der betroffenen Gliedmaße an. Häufig reicht eine Minoramputation, d. h. es muss nur eine Zehe oder nur der Teil eines Fingers oder des Vorfußes entfernt werden.

Prognose

Die Lebenserwartung wird durch eine Thrombangiitis obliterans nicht vermindert. Die meisten Betroffenen müssen jedoch im Verlauf mit Amputationen rechnen. Diese Amputationen können die Erwerbsfähigkeit, das soziale Leben und damit die Lebensqualität der Patient*innen erheblich einschränken.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Nikotinentwöhnung. Die allerwichtigste Maßnahme ist der Tabakverzicht. Da auch Passivrauchen eine Thrombangiitis vorantreibt, sollten rauchende Familienmitglieder ebenfalls mit dem Konsum aufhören. Nikotinersatzprodukte wie Pflaster, Kaugummis und Sprays oder verschreibungspflichtige Medikamente können dabei helfen. Die besten Ergebnisse werden mit strukturierten und psychologisch geführten Gruppenentwöhnungsprogrammen erzielt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet zur Unterstützung ein kostenloses Ausstiegsprogramm an (Link zum Zugang unter "Weiterführende Informationen").

Schutz vor Kälte. Nässe und Kälte stressen und verengen die Gefäße zusätzlich. Hände und Füße sollten deshalb immer möglichst warm und trocken gehalten werden.

Verletzungen vermeiden. Betroffene sollten darauf achten, dass es an Fingern oder Zehen gar nicht erst zu Verletzungen kommt. Besondere Vorsicht geboten ist z. B. bei der Nagelpflege. Wenn möglich, sollten Mani- und Pediküre professionell durchgeführt werden. Wunden an Händen und Füßen sind sofort zu desinfizieren und gut zu beobachten. Im Fall einer Infektion muss man unverzüglich die Ärzt*in aufsuchen, da schwer heilende Geschwüre und der Verlust von Gewebe drohen.

Passendes Schuhwerk. Wichtig sind gut passende Schuhe, die die Füße vor Druck schützen. Dadurch lassen sich Geschwüre verhindern. In manchen Fällen ist es sinnvoll, sich orthopädisches Schuhwerk anpassen zu lassen.

Weiterführende Informationen

Das Ausstiegsprogramm der BZgA für Raucher findet sich hier.

Autor / Rechte
29.11.2023
Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette Andre-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski

Vaskulitiden

Vaskulitiden sind Autoimmunerkrankungen der Blutgefäße, die durch Gewebeproben nachgewiesen werden können. Es gibt unterschiedlichste Krankheitsbilder mit oft schweren Verläufen. Je nach Erkrankung sind große Arterien, Arteriolen, Kapillaren, Venolen und/oder Venen betroffen. Man unterscheidet primäre Vaskulitiden und sekundäre Vaskulitiden, die in Assoziation mit einer anderen rheumatischen Erkrankung (z. B. SLE, rheumatoide Arthritis) auftreten. Bei der Diagnose ist eine Gruppe von Autoantikörpern gegen Bestandteile weißer Blutkörperchen (genauer: neutrophiler Granulozyten), genannt ANCA, oft wegweisend.

Autor / Rechte
14.11.2019
Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski